"Außerdem studierte er abstruse Bücher, die aus chaldäischen Bibliotheken
gestohlen worden waren, wenn Fafhrd auch aus langer Erfahrung wusste,
dass der Mausling selten über das Vorwort hinauskaum (obwohl er oft die
letzten Kapitel aufrollte und neugierig hineinschaute und beißende Kritik
äußerte)."

Fritz Leiber, Das Spiel des Adepten


Mittwoch, 11. April 2018

Meine alternative Lovecraft - Film - Liste

Habe ich schon einmal meine tiefe Abneigung gegen Listen erwähnt, die von sich behaupten, die zehn/fünfzig/hundert besten Filme eines bestimmten Genres {oder gleich der gesamten Filmgeschichte} aufzuführen? Ich weiß, so was klingt gut und gibt vorzügliches Clickbait ab, aber mal ehrlich: wer kann für sich die Autorität in Anspruch nehmen, solch eine Liste zusammenzustellen? Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass sich die Qualität eines Filmes nach völlig objektiven Maßstäben beurteilen ließe, bliebe immer noch das kleine Problem, dass die betreffende Person sämtliche Filme in dem betreffenden Genre gesehen haben müsste, bevor sie eine derart autoritative Liste zusammenstellen könnte. Es wäre so viel ehrlicher, solche Artikel mit "Meine zehn/fünfzig/hundert Lieblingsfilme in dem und dem Genre" zu überschreiben.

Es wird deshalb nicht verwundern, dass es der kürzlich auf Tor-Online erschienene Beitrag von Peter Osteried Die zehn besten Lovecraft-Verfilmungen von Anfang an schwer hatte, meine Sympathie zu wecken. Hätte der Titel "Zehn Filme, die ich mag und die irgendwas mit Lovecraft zu tun haben" gelautet, dann wäre ich der Liste selbst sicher sehr viel wohlgesonnener. Denn auch aus meiner Sicht sind die aufgeführten Filme durchaus einen Besuch wert. Manche von ihnen auch mehr als einen. Und doch kann ich nicht umhin, festzustellen, dass das Ganze sich für mich ein bisschen wie die üblichen Verdächtigen ausnimmt. 

Mit Ausnahme vielleicht von Takashi Shimizus Marebito (2004) -- einem äußerst faszinierenden Streifen, den ich vor Zeiten hier besprochen habe, der trotz cthulhuider Untertöne aber ganz sicher keine "Lovecraft-Verfilmung" ist. Und wenn wir uns tatsächlich über den eng begrenzten Kreis selbsterklärter {oder klar erkennbarer} Adaptionen hinausbegeben und in die Gefilde des lovecraftianischen Horrorfilms im Allgemeinen vorstoßen wollten, gäbe es ohne Frage neben Marebito noch eine Menge Kandidaten, die eher einen Platz auf dieser Liste verdient hätten, als viele der Angeführten.
 
Etwas ärgerlich finde ich u.a., dass der älteste aufgelistete Film Stuart Gordons Re-Animator aus dem Jahre 1985 ist. Es gibt in meinen Augen keine Entschuldigung dafür, dass eine Liste der "besten Lovecraft-Verfilmungen", die The Unnamable aka The White Monster (1988; hier besprochen), Necronomicon (1993; hier besprochen) und The Resurrected (1991; hier besprochen) enthält, die AIP-Adaptionen der 60er Jahre mit der Bemerkung abtut, "besonders erfolgreich waren sie nicht", und sie nicht einmal einer namentlichen Erwähnung würdigt. Ich denke, dass sowohl Roger Cormans als Teil seines Poe-Zyklus getarnte Verfilmung von The Case of Charles Dexter Ward, der er den Titel The Haunted Palace (1963) verpasste und in dem nicht nur Vincent Price, sondern auch Lon Chaney Jr. und Debra Paget mitwirkten, als auch Daniel Hallers bizarr-psychedelische Counter Culture - Variante von The Dunwich Horror (1970) einen Vergleich mit den drei vorgenannten Flicks nicht zu scheuen brauchen.
Gleichfalls etwas problematisch finde ich, dass beinah die Hälfte von Osterieds Liste aus Stuart Gordon - Filmen besteht. Ich mag Gordons Flicks, insbesondere Re-Animator (1985) und From Beyond (1986), aber ob diese grandios-grotesken Gore-Spektakel besonders gelungene filmische Umsetzungen von Geist und Atmosphäre des lovecraftschen Horrors sind, ließe sich meiner Ansicht nach in Frage stellen. Und Castle Freak (1995) hat wirklich so gut wie nichts mit dem Werk des alten Gentleman von Providence zu tun. Um so verwirrender finde ich es, dass Osteried ausgerechnet Gordons Dreams in the Witch House (2005; hier besprochen) außen vor gelassen hat, obwohl es sich dabei neben Dagon (2001) um die getreueste Lovecraft-Adaption des Regisseurs handelt. Vielleicht, weil es ein Fernsehfilm ist?
Und so erfreulich ich es auch finde, dass die von der H.P. Lovecraft Historical Society produzierte Stummfilm-Version von The Call of Cthulhu (2005) ihren Weg auf die Liste gefunden hat, irritiert es mich doch, dass die zweite filmische Unternehmung der HPLHS, ihre im Stil der 30er Jahre gehaltene Adaption von The Whisperer in Darkness (2011), ungenannt bleibt.

Aber ich will nicht bloß rumnörgeln. Deshalb habe ich ich eine eigene kleine alternative Liste zusammengestellt. 

Mein Ziel war es dabei nicht, "bessere" Lovecraft-Verfilmungen zu präsentieren, sondern auf unbekanntere Werke hinzuweisen, die im Großen und Ganzen eigenwilliger und experimenteller sind, als die meisten der von Osteried aufgelisteten Werke. Viele dieser Streifen sind Low Budget - Produktionen, die meisten Kurzfilme. Sie stellen bloß einen kleinen Ausschnitt dessen dar, was es neben den üblichen Verdächtigen an lovecraftianischer Filmkunst so gibt. Die meisten von ihnen kann man sich auf Youtube oder Vimeo problemlos anschauen.

  • Cthulhu (2007) von Dan Gildark & Grant Cogswell. Der einzige Kinofilm auf meiner Liste. Ich habe mich mit ihm und seiner faszinierenden Entstehungsgeschichte hier in aller Ausführlichkeit beschäftigt.
  • H.P. Lovecraft's Dunwich Horror and Other Stories (2007) von Ryo Shinagawa.
  • The Music of Erich Zann (1980) von John Strysik. {Hier besprochen.}
  • Nyarlathotep (2001) von Christian Matzke.
  • The Shadow Out of Time (2012) von Richard Svensson & Daniel Lennée. {Svensson hat eine ganz Reihe wundervoll bizarrer Kurzfilme gedreht, z.T. basierend auf Gedichten von Lovecraft. Sie finden sich sämtlichst auf seinem Youtube-Kanal.}
  • Fyren - Keeper of the Light (2010) von Robert P. Olsson. Keine direkte Adaption einer Lovecraft-Story, aber eindeutig inspiriert vom Werk des alten Gentleman. {Hier besprochen.}
  • Behind (2015) von Kendy Ty. Gleichfalls keine Adaption, doch greift das gerade einmal fünf Minuten lange, minimalistische Werk die subtileren Elemente des lovecraftschen Grauens -- apokalyptische Angst, Gefühle von Verlorenheit und Hilflosigkeit -- auf sehr effektvolle Weise auf.
  • The Captured Bird (2012) von Jovanka Vuckovic. Selten wohl wurde cthulhuider Horror auf so poetische Weise eingefangen wie in diesem Kurzfilm.

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